André H. Bernhard: Unbunte Systemsprenger

Monochrome schwarze Arbeiten sind das Markenzeichen von André Bernhard. Seine stark formalisierten, aus malerischen und konstruktiven Elementen zusammengesetzten Bilder, deklinieren die Farbe Schwarz in ihren möglichen Erscheinungsformen durch und setzen sie in Bezug zu systematischen Fragestellungen, die weniger innerbildliche Bezugspunkte, als vielmehr grundlegende Phänomene meinen.

Die Reduktion auf nur eine Farbe, meist Schwarz, dient dem Künstler dabei als Mittel zum Zweck: Sie bündelt die Aufmerksamkeit und lenkt die Konzentration auf die Struktur des Werkes, den Lichteinfall, die Reflexion. Das vorrangig als dunkel wahrgenommene Schwarz, das seit Henri Matisse als Ausdruck der Modernität definiert wird, so zeigt sich, ist vielfältig in seiner Erscheinung, variiert von matt bis glänzend, von opak bis transparent. Vielfältig rezipierbar ist darüber hinaus die hochgradige inhaltliche Aufladung des Schwarzen: Seine suggestive Kraft bezieht es aus dem Umstand, dass wir das, was im Dunkeln vorgeht, nur erahnen können.

Um den nicht fassbaren Dimensionen des Schwarzen entgegenzuwirken bedient sich die Kunst seit seiner bildfüllenden Existenz, die 1913 mit Kasimir Malewitschs Schwarzem Quadrat auf weißem Grund begann und die insbesondere im New York der 1950er und 1960 er Jahre im Werk von Künstlern der sogenannten New York School wie Ad Reinhardt, Marc Rothko, Robert Rauschenberg und Frank Stella radikale Ausmaße annahm, strengen Begrenzungen. Zu den eindrucksvollsten Formen gehören Stellas Shaped Canvases, in welchen die Leinwand aus ihrer rechtwinkligen Form ausbricht.

Den Ausbruch aus strengen Ordnungsmustern unternimmt auch André Bernhard. In seinen streng geometrisch angelegten Arbeiten lässt er Winkelmaße aus dem Lot kippen, bricht Flächen auf, verknüpft die Bruchstellen mit Fäden und lässt so neue Ordnungssysteme entstehen. Diese wiederum agieren gezielt mit eingebauten Fehlern, mit störenden Momenten, welche eine innerbildliche Spannung erzeugen und auf die Aufmerksamkeit der Betrachtenden zielen. Erkennen wir den Systemfehler? Was würde passieren, wenn das System kollabiert? Mit seinen unbunten Arbeiten, die das System sprengen, reflektiert André Bernhard kritisch die Funktion und Verwendung von Systemen sowie deren Aushebelung.

Anne Simone Kiesiel, Kunsthistorikerin